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Das letzte Wiehern

Der Filleperch (hochdeutsch: Fohlenweide) gehörte jahrzehntelang zu einem angrenzenden Weingut. Der letzte Seniorchef dieses Weingutes war, wie sein Vater, ein in ganz Rheinhessen bekannter Pferdefreund. Sonntags unternahm die Familie mit einer vierspännigen Kutsche Ausflüge in die Umgebung, heißt es in einer von vielen Geschichten. Einer anderen Geschichte zufolge ritt der Seniorchef (richtig gelesen: er ritt) zum Springreiterturnier nach Guntersblum. Sein letztes Pferd hatte der Überlieferung zufolge leider die Angewohnheit, öfters über den Zaun des Filleperchs zu springen. Dies mag ein Grund gewesen sein, das Hobby aufzugeben.

Anschließend wurde die Koppel anderen Freizeitreitern zur Nutzung überlassen. Ein kleiner Offenstall wurde 2005 erweitert. Von 2005 bis Anfang 2018 waren überwiegend zwei, zeitweise drei Pferde auf dem Filleperch eingestellt.

Dieses letzte Kapitel des Filleperchs endete Anfang 2018 mit dem Ableben einer wunderschönen, Friesenstute namens Zalutje (gesprochen: Ssallutje). Das Beistellpferd wurde in gute Hände abgegeben. Der Abbau der Stallerweiterung begann. Zeitgleich kamen Gerüchte auf, dass der Filleperch verkauft werden würde.

Im Herbst 2018 war der Filleperch verkauft an einen Investor aus Worms und der Stallabbau abgeschlossen.

Erste und bisher einzige sichtbare Aktion des ersten Investors im Winter 2018/2019 war das Fällen der drei größten (und von ganz Schafhausen schönsten) Ahornbäume, die das schöne Weidegrundstück bisher gesäumt hatten. In mindestens einem der Bäume, rechts neben dem Gatter, waren Käuze zu Hause gewesen. Weniger auffällig war der Abriß des ursprünglichen, kleinen Offenstalles. Ob der Abriß mit den dort vermuteten Fledermäusen zusammenhing, ist nicht bekannt.

2019 wurden die Baupläne des Investors durch seinen Bauantrag bekannt. Unter Ausnutzung aller rechtlichen Grenzen sollten 6 Mehrfamilienhäuser entstehen, von denen jeweils 2 ein gemeinsames Treppenhaus haben sollten und daher offiziell nur als insgesamt drei MFH gewertet wurden.

In der Folge stellte sich heraus, dass der Bebauungsplan für Schafhausen einen Formfehler hatte und daher nicht anwendbar war.

Am 15. April 2019 fasste der Stadtrat der Stadt Alzey einen Aufstellungsbeschluss für einen neuen Bebauungsplan. Es wurde aber keine "Veränderungssperre" beschlossen (Eine Veränderungssperre bedeutet, dass bis zum neuen Bebauungsplan keine Baugenehmigungen erteilt werden). Zitat aus dem Aufstellungsbeschluß: "Ziel der Bebauungsplanänderung ist es, die vorhandene ländliche Siedlungsstruktur im Ortskern von Schafhausen zu erhalten und in dieser Form auf noch unbebauten innerörtlichen Flächen fortzuführen. Die bisherigen Festsetzungen des Bebauungsplans sollen dahingehend konkretisiert werden, dass nur eine eher kleinteilige Bebauung, welche sich harmonisch ins Ortsbild einfügt und die umgebenden Wohn- und Wirtschaftsgebäude nicht überragt, realisiert werden kann." (Zitatende) Die Stadt gab einen Auftrag an ein Planungsbüro.

Am 26. September 2019 überraschte dieses Planungsbüro den "Ausschuss für Bauen" mit einem Arbeitsergebnis nicht in Form eines Bebauungsplanes für Schafhausen, sondern mit drei Konzepten für die Bebauung des Filleperchs (BV 2019/292). Alle Konzepte orientierten sich ausschließlich an den übriggebliebenen alten Großscheunen, nahmen also keine erkennbare Rücksicht darauf, dass das Dorf aus überwiegend kleineren Häusern, auch direkt neben dem Filleperch, besteht. Der von Konzepten anstelle eines Bebauungsplanes überraschte Ausschuss der Stadt nahm die Konzepte nur zur Kenntnis.

Für die Bebauung des Filleperchs gilt seitdem nur das Kriterium, dass er sich in das Dorfbild "einfügen" muss. Ein weiterer Entwurf wurde nach Diskussion mit Stadt (Bürgermeister) und Ortsbeirat etwas zurückgenommen. Der Begriff "Einfügen" ist nicht genauer gesetzlich definiert. Bis heute wartet das Dorf auf einen Bebauungsplan, bzw. der "Ausschuss für Bauen" auf die Vorlage eines solchen.

Im August 2020 wurde im „Ausschuss für Bauen“ der Stadt Alzey der finale Entwurf in einer Bauvoranfrage behandelt. Entsprechende Unterlagen sind im Informationssystem der Stadt Alzey im Internet zu finden.

Im Auftrag des Ortsbeirates hatte die Ortsvorsteherin einen Antrag auf Veränderungssperre gestellt, was eine Ablehnung der Voranfrage bedeutet hätte. Dieser Antrag wurde von den meisten Ausschussmitgliedern, die überwiegend nicht in Schafhausen wohnen, abgelehnt.

Zentrales Kriterium der Bauvoranfrage war einzig die Frage, ob sich der Bau in das Ortsbild einfügen würde. In der verblüffend wohlwollenden Stellungnahme der Stadtverwaltung ("Begründung" zur Bauvoranfrage), wurde die Traufhöhe eines einzigen, schmalen, gegenüberliegenden Hauses angeführt, die deutlich niedrigeren Traufhöhen anderer gegenüberliegender bzw. angrenzender Gebäude aus Sicht des Ortsbeirates jedoch nicht berücksichtigt. Ebenso waren die mehr als 2 Meter hohen L-Steine (aus grauem Beton), die den Weg "Am hohen Haus" zu einem häßlichen Hohlweg machen würden, nicht der Rede wert. Es gab keine Vor-Ort-Termine, es wurden auch keine Visualisierungen des Gebäudes in seinem dörflichen Kontext gezeigt. Dennoch entschied der „Ausschuss für Bauen“ mehrheitlich, die Voranfrage und damit eine nahezu maximale Bebauung zu befürworten (was auch eine vollständige Fällung aller restlichen 9 Bäume und die Entfernung der umlaufenden Hecken bedeutet). Aus Sicht von Teilen des Ortsbeirates würde sich der Komplex eher in den Vorort einer Millionenmetropole einfügen als in ein rheinhessisches Dorf mit 350 Einwohnern.

Im Januar 2021 wurde bekannt, dass der Filleperch erneut verkauft worden ist.

Anfang Februar 2021 wurde bekannt, dass der neue Eigentümer Kontakt zum Ortsbeirat sucht. Hoffentlich sind seine Pläne weniger monoton. Es dürfte schließlich erlaubt sein, drei nebeneinander liegende Mehrfamilienhäuser unterschiedlich zu gestalten, was Grundriß und Fassade anbetrifft. Auch müssen drei Nachbarhäuser der leichten Hanglage nicht durch monoton einheitliche Höhe trotzen, sondern dürfen auf unterschiedlichen Nullhöhen errichtet werden. Dies könnte den befürchteten, hässlichen Hohlweg vermeiden.

Für architektonisch den umliegenden Häusern ebenbürtige, und genau dadurch interessante, hochwertige Immobilien. Zum Wohle des Wohnens und Lebens in Schafhausen, dem ältesten Stadtteil von Alzey in Rheinhessen.

Kein Missverständnis: Nach Meinung einiger Dorfbewohner, wäre einzig ein Kindergarten (mit viel Grün zum Toben) eine Immobilie, die dem Namen Fohlenweide gerecht würde**.

Nicht Immobilien sind Zukunft. Kinder sind Zukunft.

Ende Februar 2021 wurde bekannt, dass der neue Eigentümer direkt einen Bauantrag gestellt hat, ohne Diskussion mit dem Ortsbeirat. Sein Architekt scheint unsere Seite und Wünsche wenigstens zum Teil gelesen zu haben, denn... Zwar zeigen seine Pläne immer noch drei nebeneinander liegende Mehrfamilienhäuser mit gleichem Grundriß und Fassade. Jedoch sind diese auf unterschiedlichen Nullhöhen gezeichnet. Dies würde den befürchteten, hässlichen Hohlweg vermeiden. Gut gemacht in diesem Punkt, Herr Architekt. Sie haben, scheint mir, sich Tipps von Herrn E.L. aus Essenheim geholt.

ABER. Jetzt wird's bös. Im August 2020 beschloss der Ausschuss für Bauen und Umwelt der Stadt Alzey, dass die hintere MFH Reihe 1,5 Geschosse haben darf. Der Bauplan zeigt 2,5 Geschosse, vorne und hinten. Also völlig gegen die Beschlusslage, damit: unzulässig. Auch die Stadtverwaltung hat's gesehen und die Meinung 2020 "Einfügen" auf 2021-02 "Nicht Einfügen" geändert.

HURRA? Mitnichten. Die Kreisverwaltung entscheidet über den Bauantrag. Dort muss nun ein sympathischer Mensch die Aufgabe übernehmen, wieder über "Einfügen" oder "Nicht Einfügen" zu entscheiden. Eine undankbare Aufgabe.

UND wegen des Baumfäll-Verbotes am 1. März... schritt der Bauträger am 23. Februar zur Tat und beauftragte eine Unterfirma, und diese eine Unter-Unterfirma. Die Unter-Unter-Firma kam mit 2 Mann, einer Kettensäge und 1 Seil und fing an, den ersten Baum zu fällen. Dort, wo die geplante, nicht genehmigte, TG-Einfahrt sein soll. Zack, war das Seil befestigt und der Baum angesägt.

Keine Absperrung, keine Schutzkleidung, keine Genehmigung zum Fällen der Bäume! Drei Gesetzesverstöße in einem. Und jede Menge Schafhausener, die sich darüber aufgeregt haben.

Was macht ein Bürger? Nein. Was machen mehrere Bürger? Man ruft das Ordnungsamt. Man ruft die Polizei. Man ruft die Untere Naturschutzbehörde an. Man macht Kosovo-Albanern klar: Deutschland, Deutsche Gesetze, Basta. Die Arbeiter legen den angesägten Baum um, beenden dann die Arbeit. Nach einer Stunde erscheint das Ordnungsamt, erfährt direkt von der Naturschutzbehörde, dass keine Genehmigung vorliegt, und lässt die Arbeiten einstellen. Die Berufsgenossenschaft für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau SVLFG sieht sich mit Anrufen und mehr konfrontiert. Die Arbeiter fahren ab. HUURRRAAA?

NEIN.

Nachmittags erfährt man durch Anruf bei der Unteren Naturschutzbehörde, dass mittags die Genehmigung erteilt wurde! Das Tagesdatum gilt, die Baumfällung ist nachträglich legalisiert. Kann das sein?

NEIN. ES KANN NICHT SEIN. Die Genehmigung bezieht sich immer auf die Beräumung des Baufeldes. Alle Bäume standen außerhalb des Baufeldes bzw. der drei Baufelder, mit einem Abstand von mindestens 1,5 Metern.

Egal. Am Freitag, 26.2.2021, erscheint ein Bagger mit Sägearm, Arbeiter mit Kettensäge und Auto-Warnwesten als Schutzkleidung... Am Freitag Abend ist ein Baum übrig geblieben, am Samstag mittag sind alle Bäume gefällt. Da ist das letzte Wort noch nicht gesagt, aber, die Ahornallee ist weg.

Und der Bauträger? Der lässt verkünden, dass in ein paar Wochen die Bagger rollen. Man staunt!

In der ersten Märzwoche wird der Ausschuss der Stadt entscheiden... Ach so! Und wenn der "Nicht Einfügen" entscheidet, dann muss ein einsamer guter Mitarbeiter der Kreisverwaltung sich den Kopf zerbrechen, ob der Antrag rechtlich und sachlich hieb- und stichfest ist. Oder ob eine KiTa nicht doch besser wäre...

Oh Alzeyer... Rheinhessener... Wehret den Anfängen... So tüchtig wie die Schafhausener, mindestens! Denn, die Gerüchteküche brodelt. Und die Stadt hat keinen Milliardenschweren Schirmherren mehr...

UPDATE "Aufatmen" Am 2. März 2023 hat der "Ausschuss für Bauen" der Stadt Alzey unter TOP 4.2 eine Veränderungssperre für den alten Teil von Schafhausen und den Fillepersch beschlossen. Und JA, dieses Update bedeutet auch, dass seit der Ankündigung "Die Bagger rollen" vom Februar 2021 bis heute "nur" eines passiert ist: der Mutterboden wurde noch 2021 abgefahren, das Baufenster ca. 1m tief ausgekoffert. Das Resultat ist ein Anblick, wie man ihn NICHT gerne sieht.

----- WEITERE HINWEISE -----

Siehe auch: Wikipedia: Schafhausen (Alzey) Dieser Link kann auch genutzt werden durch Tippen auf das oberste Drittel des Bildes vom Filleperch.

** Am östlichen Rand von Schafhausen ist ein Neubaugebiet für 30-40 EFH/DH in Planung. Dies erhöht den Bedarf an einem Kindergarten vor Ort signifikant.

IMPRESSUM: Jörg E. P. Blaurock / Gau-Odernheimer-Straße 16 / 55232 Alzey